Der Konflikt, der schon seit fast 100 Jahren dauert, hat seine nächste Eskalation. Die Araber attackieren wieder am Feiertag, wie auch vor 50 Jahren im Jom-Kippur-Krieg. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat also das Gefecht für Palästina symbolische Bedeutung. Doch ist es in irgendeinem Zusammenhang anders, als die letzten?
Am 7. Oktober 2023, im Morgengrauen des Schabbats, wurden mehrere Hundert Raketen aus dem Gazastreifen in Richtung Israel abgefeuert. Kurze Zeit danach waren Palästinenser bereits ins Gebiet Israels eingedrungen. Um 11:35 Ortszeit veröffentlichte der israelische Ministerpräsident, Benjamin Netanjahu, eine Videobotschaft auf der X-Seite (dem ehemaligen Twitter). Er verkündet: „Bürger Israels, wir sind im Krieg und wir werden gewinnen”.
In Europa waren wir immer an die Legende großes, unbesiegbares Israels angewöhnt. Der Staat, der seit seiner Gründung für sich selbst kämpft. Doch was hat sich in diesem Krieg verändert? Zwar wurde der regionale Hegemon auf dem falschen Fuß erwischt. Wo war damals Aman, allwissender, militärischer Nachrichtendienst? Umso größer ist das Versagen der israelischen Geheimdienste, dass es kein gut trainiertes, organisiertes Militär war, das das Land angegriffen hatte. Die Eroberer passierten die Grenze auf dem Motorrad. Die Strategie, die sie nutzen, lässt sich kaum vor den Terroristen abheben. Palästinenser nehmen Geiseln auf, schicken Kinder in den Kampf. Bekannt ist es, dass eine der Opfer eine Deutsche ist. Eine 22-jährige Studentin aus Berlin wurde gemordet, wahrscheinlich während des Sturmes auf das Musikfestival. Nicht bestätigt sollten auch viele andere Ausländer verschleppt oder misshandelt werden. Und wenn sämtliche Medienangaben sich als wahr zu sein erwiesen, sollte es sich auch als keine Überraschung herausstellen. Hamas, die radikalislamische Terrororganisation, die im 2006 im Gazastreifen an die Macht kam, hat in ihre Geschichte u.a. schon mehrere Selbstmordattentate. Wenn nicht sie, wahrscheinlich hätte kein Krieg ausgebrochen.
Die ursprüngliche Reaktion Deutschlands war ziemlich deutlich und selbst erklärend. Das Brandenburger Tor erstrahlte in den Farben Israels, vor dem Kanzleramt wehte am Sonntag die weiß-blaue Flagge und Olaf Scholz versicherte Netanjahu, dass Deutschland „fest und unverbrüchlich an seiner Seite stehe”. Drei Tage nach dem Beginn des Krieges, nach dem israelischen Gegengroßangriff kann sich bloß ein Zweifel bei jemandem regen – sind alle Handlungen Israels recht und billig? Jedoch wird schon die Rhetorik der Rache bei Israel ziemlich sichtbar.
„Wir werden alle Orte, an denen die Hamas organisiert ist und sich versteckt, in Trümmerinseln verwandeln.” –
sagt Benjamin Netanjahu. Und hier besteht es schon ein Paradox – einerseits zahlt die Europäische Union für die humanitäre Hilfe für Palästinenser, anderseits unterstützt sie politisch Israel, das Wohnblocks im Gazastreifen bombardiert, in denen angeblich Ausrüstung und Munition gelagert werden. In der Folge sterben Zivilisten auch in Gaza. Für beiden Seiten ist der Konflikt sehr emotionell, und auf beiden Seiten lässt sich Hass gegeneinander spüren.
Drei Tage nach dem Beginn des Krieges erlangt Israel Kontrolle über seine Grenze wieder. Die wurde vollständig evakuiert und versichert. Das Militär schaffte sogenannten „eisernen Mauer”. Nach eigenen Angaben kann den niemand durchqueren. Trotz des erheblichen Vorsprung Israels ist es noch klar, ob das Gefecht länger als diese in der Vergangenheit dauert. Für heute (10. Oktober – der dritte Tag des Krieges) haben sich die Verluste beinahe ausgeglichen. Leider deutet nichts darauf hin, dass die Auseinandersetzung in die Geschichte wieder als Sechstagekrieg eingehen könnte.
Nikolaus Kurowski