Nicht weit vom bekannten Turawa-See liegt in der Ortschaft Szczedrzyk (Woiwodschaft Oppeln) ein kleiner, unscheinbarer See. Heute ist er vor allem für Einheimische und Angler interessant – doch in den 1930er Jahren war er unter dem Namen Hitlersee ein Symbol der nationalsozialistischen Ideologie und ein Schauplatz gezielter NS-Propaganda.
Warum trug der See den Namen Hitler?
Der Name Hitlersee wurde nicht zufällig gewählt. Vielmehr war er Teil einer umfassenden Kampagne zur Verbreitung des Führerkults. Schlesien galt als besonders bedeutsame Region für das Dritte Reich – sowohl strategisch als auch kulturell. Orte wie dieser sollten die Verbundenheit mit der „deutschen Heimat“ verkörpern.
Erholungslager und „deutsche Ideallandschaft“
Rund um den See entstanden Erholungslager für die Hitlerjugend und NSDAP-Mitglieder. Es wurden Holzbaracken gebaut, Stege errichtet und Wanderwege angelegt – alles im Sinne der Vorstellung einer „deutschen Ideallandschaft“, in der Naturverbundenheit, Ordnung und Disziplin vermittelt werden sollten. Obwohl die meisten dieser Einrichtungen den Krieg nicht überstanden, sind heute noch überwachsene Böschungen und Reste ehemaliger Wege zu finden.
Nach 1945: Das Schweigen beginnt
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verschwand der Name Hitlersee vollständig von den Landkarten. Die neuen kommunistischen Behörden verboten nicht nur den Namen, sondern auch andere deutsche Bezeichnungen in der Region. Trotzdem erinnern sich ältere Bewohner von Szczedrzyk noch an die Geschichten rund um das damalige Nazilager. Im Jahr 2004 sorgte eine Plakette mit der Aufschrift „Hitlersee“ an einem Denkmal im Ort für Proteste und eine öffentliche Debatte über den richtigen Umgang mit der Vergangenheit.
Historische Kuriositäten, die kaum jemand kennt
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In nationalsozialistischen Wochenschauen wurde der Hitlersee als „Musterferienort der neuen Ordnung“ dargestellt.
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Es gab Pläne für eine dauerhafte Ausbildungsstätte der Hitlerjugend – die mit Kriegsbeginn aufgegeben wurden.
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Nach dem Krieg wurden Materialien aus den verlassenen Kasernen beim Wiederaufbau der umliegenden Häuser verwendet.
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In den 1990er Jahren soll ein Bewohner das originale Hitlersee-Schild aufbewahrt haben. Nach seinem Tod verschwand es spurlos.
Warum sollte man sich daran erinnern?
Die Geschichte des Hitlersees zeigt, wie tief Ideologie in Landschaften eingreifen kann. Auch wenn der Ort heute harmlos erscheint, steht er für ein dunkles Kapitel. Ist es wichtig, solche Geschichten zu erzählen? Ja – denn nur wer die Vergangenheit kennt, versteht, wie leicht Orte zu Instrumenten politischer Macht werden können.
Text: Nicole Sobek