„Was wir derzeit in den Vereinigten Staaten mit der zweiten Trump-Regierung erleben, ist todernst – es ist ein Angriff auf die Wissenschaft, das Wissen und die Expertise im Allgemeinen, bei dem bereits jedes verfügbare Mittel der Exekutive eingesetzt wird. Als Historiker kann ich Ihnen versichern, dass wir in der Geschichte noch nie etwas Vergleichbares erlebt haben.”
Das Zitat aus der Einleitung stammt von Prof. Nancy MacLean in einem Interview mit dem Magazin New Scientist. Doch woher kommt diese extreme, fast hysterische Reaktion der amerikanischen Wissenschaftswelt? Ist sie gerechtfertigt? Oder ist es lediglich eine unverhältnismäßige Reaktion auf ein unerwünschtes Wahlergebnis?
Ein Vorzeichen für die kommenden Ereignisse waren die Wahlversprechen des ehemaligen Präsidenten. Bereits während des Wahlkampfs erklärte Donald Trump, dass er den ehemaligen Gegenkandidaten Robert F. Kennedy Junior – einen Impfgegner und Verbreiter zahlreicher Verschwörungstheorien – zum Gesundheitsminister ernennen würde. Dieser Mann ist nun für die Aufsicht über die Arbeit des Centers for Disease Control and Prevention (CDC) verantwortlich. Dies könnte erklären, warum seit der Amtseinführung des neu gewählten Präsidenten Informationen über den Schutz vor HIV von Regierungswebsites verschwunden sind. Natürlich – denn traditionell wird HIV vor allem mit homosexuellen Menschen in Verbindung gebracht… Doch dies ist nicht die einzige umstrittene Entscheidung im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Auch die lautstarke Streichung der Finanzierung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) darf nicht vergessen werden.
Auch auf nationaler Ebene sieht es nicht besser aus. Sämtliche wissenschaftlichen Artikel im Bereich der Medizin, die Begriffe wie „Frau” oder „Gender” enthalten, wurden einer erneuten Prüfung unterzogen. Direkt nach der Amtseinführung wurden die wöchentlichen Sitzungen zur Vergabe von Forschungsgeldern abgesagt, und Teile der Datenbank der National Library of Medicine wurden abgeschaltet. Einige dieser Sitzungen finden nun wieder statt, und die meisten Daten sind erneut zugänglich – allerdings nicht alle.
Die Medizin ist hier jedoch keine Ausnahme. Eine der Wahlversprechen von Donald Trump war der Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen. Bereits in seiner ersten Amtszeit hatte er dies versucht, damals dauerte der Prozess jedoch wesentlich länger – weshalb die Biden-Administration ihn rückgängig machen konnte. Nun dauert die Prozedur nur noch ein Jahr, was bedeutet, dass die USA bald offiziell nicht mehr auf eine klimaneutrale Wirtschaft hinarbeiten werden – sofern Trump nicht radikal seine Meinung ändert. Wenig überraschend sind auch alle Erwähnungen des Klimawandels und der globalen Erwärmung von Regierungswebsites verschwunden. In den ersten Tagen der neuen Präsidentschaft war zudem die Klimadatenbank nicht erreichbar, was in der Forschungsgemeinschaft Panik auslöste. Letztlich stellte sich dies zwar nur als technische Wartung heraus, doch verdeutlicht es, wie angespannt die Stimmung in der US-amerikanischen Wissenschaftswelt derzeit ist.
Es ist schwer, die Maßnahmen der aktuellen US-Regierung zu kommentieren. Leider betreffen ihre Entscheidungen nicht nur die amerikanische Wissenschaft. Die USA sind derzeit der größte Geldgeber für die globale Forschung – das bedeutet, dass auch wir erhebliche Verluste erleiden werden, wenn die Amerikaner ihr Budget kürzen. Es bleibt nur die Hoffnung, dass dies alles Teil eines politischen Spiels des amtierenden Präsidenten ist und dass sich bald wieder Normalität einstellt.
Text: Nikolaus Kurowski